Peter Paul Schweitzer

 Jüdisches Leben einstmals in Hadamar

 Historischer Hintergrund

 Mitte des 17.Jhs. - genauer: im 30jährigen Krieg - wandten sich anderen Orts in Not geratene Juden an Graf Johann Ludwig von Nassau-Hadamar und erbaten ihre Aufnahme in dessen `Judenschutz´ und um die Erlaubnis, sich mit ihren Familien in Hadamar niederlassen zu dürfen. Durch glückliche Umstände blieben von diesem Zeitpunkt an bis zum Ende des Herzogtums Nassau und dessen Eingliederung ins Königreich Preußen, d. h. von 1630 bis 1866 die Akten über die nassauischen Juden im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden erhalten.
 Das war eine besonders günstige Ausgangsposition für die Erforschung jüdischen Lebens in einem kleinen, überschaubaren Zeitraum, in einem kleinen Residenz- und Amtsstädtchen und unter sonst allgemein gut erforschten Bedingungen. Denn dadurch wird die Geschichte der Hadamarer Juden und Christen dieses Zeitraums sozusagen zu einem kleinen historischen Labor, in dem sich die Integration und Emanzipation, also die Einfügung und das Emporkommen, einer geringeren Religionsgruppe in eine größere, wohl etablierte beobachten lassen. Jeder der an dieser Beobachtung teilnimmt, wird dabei Ähnlichkeiten mit der gegenwärtigen Situation unser Gesellschaft entdecken.
 Veränderung folgte auf Veränderung
 In diesem Zeitraum ereigneten sich gewaltige Umwälzungen: Kurz vorher hatte die Umkehr Johann Ludwigs von der reformierten Konfession zur katholischen die gleiche Kehrtwende für die ganze Grafschaft bedeutet - und nun bildete sich hier inmitten einer kleinen Stadt eine weitere Glaubensgemeinschaft und forderte nicht nur Toleranz sondern auch ihr eigenes Lebensrecht, juristisch und auch wirtschaftlich.
 Zur Zeit Napoléons erlebte die kleine und ziemlich arme jüdische Gemeinde eine erste, die jeweils eigene Person betreffende Emanzipation. Das ergab neue Reibungsflächen, zumal in dieser Zeit die Zahl ihrer Mitglieder wuchs und Lokalitäten geschaffen werden mussten, in denen Gottesdienste würdig stattfinden und die Erwachsenen rituell baden konnten.
 Um 1848 setzten sich dann gesellschaftlich emanzipatorische Gedanken mehr und mehr durch. Man hatte inzwischen die neue Synagoge errichtet, die Schulpflicht der Kinder erreicht, die Gemeinde als Institution rechtlich verankert und das allgemeine Bürger- und politische Wahlrecht erlangt. Wenn nicht ein um Einiges vermögenderer Hadamarer Unternehmer in die Standesvertretung gewählt worden wäre, hätte diese Stelle der jüdische Kaufmann Schilo Salomony erhalten.
 Immerhin: Gegen Ende des Herzogtums Nassau zählte Hadamar mit 100 Mitgliedern nach Wiesbaden die zweitgrößte jüdische Gemeinde im Lande.
 Längst besuchten Juden das hiesige Gymnasium, längst waren in Hada‑mar Juden mit so bekannten Herkunftsnamen wie Prag und Wormser ansässig, wie auch in Limburg, in Frankfurt, in Straßburg und sogar in Paris Juden mit Stolz den Familiennamen Hadamar trugen. Ja, um Hadamar hatte sich inzwischen ein Rabbiner als Gemeindeleiter beworben und - aufgenommen - die kleine unbedeutende Stadt zum Sitz des Bezirksrabbiners erhoben.
 Leider konnte nach 1866 Hadamar, das katholische Amtsstädtchen mit seinem kräftigen jüdischen Anteil, unter protestantisch-preußischer Regierung nicht weiter prosperieren. Die hoffnungsvollsten Söhne und Töchter der Stadt, katholische wie jüdische, zog es in aussichtsreichere Gegenden. Die vorher ständig steigenden Einwohnerzahlen schmolzen langsam ab, katholische wie jüdische. Die bisher ansteigenden Wirtschaftsdaten sanken, katholische wie jüdische.
 Man vergleiche das in vielem ähnliche Weilburg, wie viele prächtige Bürgerhäuser entstanden dort in diesen Gründerjahren, in denen es in Deutschland und speziell in Preußen allgemein steil bergauf ging, mit den äußerst bescheidenen Fortschritten, die Hadamar in dieser Periode zu verzeichnen hatte. Kein Wunder, dass es den Hadamarer Bezirksrabbiner nach Weilburg fortzog und mit ihm auch das Bezirksrabbinat. Und da die Synagogengemeinde hier inzwischen kleiner wurde, konnte sie sich fortan keinen Rabbiner mehr leisten.
 Aber bald sollte auch schon der erste Weltkrieg kommen, an dem die Söhne katholischer wie jüdischer Familien gleichermaßen teilnahmen, die jüdischen jedoch in prozentual höherem Anteil Opfer brachten, was ihnen in der Stadt hohen Respekt eintrug.
 Als danach 1922 das 700jährige Stadtjubiläum gefeiert wurde, wurden im Festspiel mehrere Hauptrollen jüdisch besetzt, wurden in der Festschrift die jüdischen wie die christlichen Kriegsopfer ehrend hervorgehoben, erschienen in der der Festschrift angefügten statistischen Übersicht christliche wie jüdische Einrichtungen und Vereine nebeneinander, wie auch die Geschäfts- und die persönlichen Standes-Angaben fein säuberlich nebeneinander veröffentlicht wurden, ganz selbstverständlich. Selbstverständlich - bis 1933. Doch dieses Jahr eröffnete eine eigene, ganz traurig endende Entwicklung.

 Kein Ghetto in Hadamar

 Unter den erhaltenen Akten und Urkunden befinden sich eine Reihe Papiere, die das gegenseitige Verhältnis von Juden und Christen in Hada‑mar beleuchten.
 
1. Nassauische (Dillenburg-Diezische) und Hessische Judenordnung, verhandelt und beschlossen zu Diez am 28.VIII.1515
Judden betreffend
Item soll allen Vnderthanen der graifschaft ernstlich gebotten werden, mit denn Judden keyn handlung noch gemeynschafft zu haben - bey ernstlicher straiffe, wer des brüchick erfonden würd /
Es soll auch keyn Judd in der graiffschafft sicherheyt noch geleyd haben - und solichs allen Judden umb der graiffschafft gesessen durch die kelner verkundt werden - wo dan nach verkündigung eine Juddenperson in obgemelter gestalt Inn der graiffschafft betreden wurd, den soltt man annemen und straiffen /
1
HSTAWi 171 D 751 fol 19
2. Nassau-Dillenburg, in Erbstreitigkeiten um Katzenelnbogen und in Niederländisch-Spanische Konflikte verstrickt und notorisch geldknapp, hielt sich an diese Abmachung nicht lange. Schon 20 Jahre später lieh man sich fleißig bei jüdischen Geldgebern Kapitalien aus, und was man selbst tat, ließ sich bei den 'vnderthanen' nur schwer unterdrücken. 1566 klagen die Herr-schaften in einem Brief, über zu große finanzielle Abhängigkeiten ihrer gemeinsamen Münzenbergischen Pflegekinder von jüdischen Geldgebern, die als ein vortheilhafftigs genaugsuchig listig volck bezeichnet werden. Deshalb werde nun festgelegt, unter welchen Bedingungen und zu welchen Zinssätzen (höchstens 5 von 100 je Jahr) Darlehen erlaubt seien. Für alle Contracte verlangte man, dass sie in einem bei der Ortsbehörde zu führenden Schuldenbuch verzeichnet und beglaubigte Abschriften der Verträge dort hinterlegt würden. Damit war die einstige grundsätzliche Ablehnung jüdischer Anwesenheit durchbrochen.
2
Wi 171 Z fol 9-15
Johann Jung, von dem der erste nachreformatorische Altar in der Liebfrau‑enkirche stammt, Geld geliehen.
3
Wi 171 H 460
Reichsgraf von Holtzapfel wurde, u. a. das Judenregal verliehen.
4
Pressburg,14.V.1647
Graf Johann Ludwig und bittet um Aufnahme in dessen landesherrlichen Schutz. Er schreibt
5
Wi 171 J
:
Hochwohlgeborener Grave, gnädiger Herr!
Euer Gnaden wohl wissent seyn, daß umb und umb in dem Lant Kein Friedtt, sondern stets undt ie lenger ie mehr unfried erwachst, dahero die christen - geschweigen der Juden - übel Schutz haben können!
Nun hab ich mich zwar ein Jahr oder zwey verheyratet und zue Vielmahr unter Ihrer Churfürstlichen Gnaden zu Trier mich ufgehalten, aber noch niemahlß in dero Schutz einschreiben lassen oder begeben, sondern bey meinem Vatter unndt unter deßen Dach und Gefach mich uffgehalten.
Wann das ietz alle Juden vliehend von Vilmar wegen des Kriegs Volks weichen und sich nacher Limpurg begeben müßn. Ich aber, alß darnach (ich) unter keines Lantherren Schutz und schirm bin, nich weiß, durch waß manier zue Limpurg mich niederschlagen könn(te)
Alß langt an Euer Gnaden mein Unterthäniges pitten, dießelbe sih mir gädig erzeygen, gegen ein leidtliches Schutzgelt mich in Ihre protection undt Schutz auf- und annehmen, undt mir alhier zue wohnen gnädig gestatten wöllen;
Ein solches umb Euer Gnaden zuwendennis will ich mich die tag meines lebens unterthänig erfinden lassen;
Euer Gnaden gefl. resolution unterthänig erwarttent
Euer Gnaden unterthäniger
Jecoff Judt von Villmar
Johann Ludwig entschied über dieses Bittgesuch wie folgt:
Wir sind es uf gegenwärtiges Supplicieren zufrieden, daß supplicierender Jud, wo ferne er sich anerbottener gebuer verhalten und eine wohnung finden würdt, in unserm Landt und obrigkeit wohnen, undt unsers schutzs, gleich andern unnsern unterthanen genießen mag, doch daß er dagegen uns jährlich Zehen golltgulden zum Schutz‑gelt entrichte undt bezahle. Zue uhrkundt haben wir dieses eygenhäntig unterschrieben.
Sign, hadamar am 4ten octobr 1634
JohannludwichgravNassau
6. Die neue Religion machte natürlich neben den beiden Konfessionen in der Hadamarer Grafschaft (katholisch wie der Graf und inzwischen die Mehrzahl der Bevölkerung - reformiert wie die Gräfin Ursula, deren Bedienstete und Verwandtschaft, und ein Teil der Beamten der gräflichen Verwaltung) auch neue Probleme. Die Kirchenverwaltung wurde von Jesuiten geleitet und unterstand nicht dem Bischof von Trier, sondern dem Grafen, der die Seelsorge in der Grafschaft von Ordensleu‑ten versehen ließ.
1640, der Graf weilte in Köln, hatten die Jesuiten die Hada‑marer Juden mit Strafen belegt, weil sie - nach Meinung der Jesuiten - über die ihnen mit den Schutzbriefen zugestandenen religiösen Freiheiten hinaus religiöse Handlungen vorgenommen hätten. Wirklich hatten sie am Versöhnungstag im Oktober und am jüdischen Neujahrstag auf dem Herzenberg mit Blasen des Widderhorns (Schofar) Ärgernis erregt, und dazu auch noch wie an anderen Feiertagen jüdische Gäste aus anderen Orten empfangen. Auch noch andere kleinere Vergehen ahndeten die Jesuiten mit Kirchenstrafen, so wie sie das bei Christen auch getan hätten.
Die Judenschaft nahm das nicht hin, und ihre Sprecher, allen voran ein Jude namens Löw, der mit dem Grafen befreundet war und ihm schon des öfteren aus Geldverlegenheiten geholfen hatte, schrieben nach Köln, erstens seien sie nicht der kirchlichen Jurisdiktion untertan sondern nur dem Grafen, und zweitens seien ihnen religiöse Feiern in ihren Häusern erlaubt, wo sie auch Gäste empfangen dürften. Dass man ihnen Verbrennungen von Kreuzen nachsage, sei bei allem, was ihnen heilig sei, unwahres Kindergeschwätz.
Zwischen Johann Ludwig, seinem (reformierten) Regierungsdirektor, den Jesuiten und den Hadamarer Juden entspann sich hieraus ein längerer Briefwechsel. Die Jesuiten drängten auf ihr vermeintliches Kirchenrecht und versuchten die aufstrebenden Juden möglichst kurz zu halten. Die Judenschaft pochte auf die ihr 'verbrieften' Rechte, die sie natürlich recht großzügig auslegte. Der Regierungsdirektor bemühte sich sachlich um Aufklärung der Rechtsverhältnisse und um Erklärung der jüdischen Gepflogenheiten und deren Sinn. Und der Graf schaute vor allem darauf, dass er mit der Lösung des Streitfalles im Rahmen des Reichsrechtes blieb.
Und so wurde die Sache denn auch entschieden: Hadamar wolle sich in allem so verhalten, wie es in anderen katholischen Ländern des Reiches auch Recht sei: In genau diesem Maße seien den Juden ihre Rechte zugestanden. Verstöße gegen das Kirchenrecht und Kirchenbußen seien nur dann zu verfolgen, wenn sie Verstöße gegen das Reichsrecht darstellten, die Juden unterstünden nur der gräflichen Gerichtsbarkeit.
7. Weitere Streitpunkte ergaben sich aus dem Umstand, dass die Juden den Sabbat, also den Samstag als Wochenfeiertag hielten und die Christen den Sonntag und dazu noch einige Feier- als Kirchtage. Das führte, besonders im Viehhandel, gelegentlich die jüdischen Händler zur Missachtung der gesetzlichen Ordnung, da sie sich über das lange Wochenende in vielerlei Handlungen behindert fühlten.
8. Schließlich müssen die immer erneut auftretenden Streitfälle hier erwähnt werden, die sich aus der allgemeinen Rechtslage der Schutzjuden ergaben. Als 'Eigentum' des judenprivilegierten Landesherrn oder auch als Kammerknechte des Kaisers waren sie zwar dort ansässig, wohin der Landesherr sie setzte, wurden aber nicht Bürger der Stadt oder Gemeinde, die sie aufnehmen musste. Sie konnten dort handeln und wandeln, konnten Besitz erwerben und Häuser bauen und vererben - waren aber grundsätzlich frei von allen Steuern, Abgaben und Lasten, zu denen die sie umgebende Bürgerschaft verpflichtet waren.
Das führte naturgemäß zu bösem Blut auf Seiten der christ‑lichen Bürger, die weder einsehen konnten noch wollten, dass sie Wachen und Dienste auf Mauern und Wällen und Türmen zu leisten hatten, mehrmals jährlich zur Stadtsteuer herangezogen wurden, vielerlei Sonderabgaben tragen und Gebühren abgeben mussten - und die Juden genossen alle sich aus den christlichen Abgaben ergebenden Vorteile, trugen aber nichts dazu bei.
Obgleich die Rechtslage damals so war, haben sich die Hada‑marer Juden, auch die ärmsten unter ihnen, freiwillig dazu bereit erklärt, die städtischen Lasten mitzutragen. Schwierig wurde die Situation dennoch, wenn - wie in Kriegszeiten häufiger - der Landesherr oder durchziehende oder einquartierte Truppen zusätzliche Kontributionen erhoben.
Hatte der Graf anfangs der Woche von seiner Judenschaft für die kleine Landwehr mal eben zehn Gäule verlangt, sollten die gleichen Juden wie die Bürger zum Wochenende hin je Familie nochmal einen oder zwei Goldgulden für die einquartierten Kroaten erbringen. Also mussten die Juden doppelt bluten und protestierten natürlich entsprechend. Solche Konflikte gingen oft zu Ungunsten der Juden aus; meist versprachen aber Graf oder Stadt wenigstens, die Benachteiligten bei späterer Gelegenheit schadlos zu halten.
Bei all diesen Schwierigkeiten wurde aber offenbar niemals die Grenze zur Unmenschlichkeit überschritten, denn bei der Offenheit der Klagen der jüdischen Seite, die kein Blatt vor den Mund nahm und ihr Recht - so bescheiden dieses und auch das der christlichen Untertanen auch war - prononziert vorzutragen wusste, hätte das in den Akten Spuren hinterlassen.
Da im Übrigen die Hadamarer Juden nie in einem Ghetto sondern Haus an Haus in Nachbarschaft mit christlichen Familien lebten, konnten sich Vorurteile gegeneinander hier niemals verfestigten. Dazu muss auch beigetragen haben, dass die jüdische Lebensweise und das moralisch-soziale Verhalten der Juden ihren Gegnern ganz offenbar hohen Respekt abverlangte. Selbst die judenkritischen Jesuiten nahmen schon im 17. Jh. begabte jüdische Jungen in ihr Gymnasium auf und hatten selbst in ihrem hiesigen Kloster einen jüdischen Koch angestellt. Zum Bau ihrer Klosterkirche nahmen sie mit Dank eine Spende der Hadamarer Judenschaft an.
Johann Ludwig wussten alle, dass er auf längere Fahrten gerne einen gelehrten Rabbiner mitnahm, mit dem er sich über religiöse Fragen austauschen konnte; und es wurde auch allgemein bekannt, dass am Sterbebett des Fürsten der Obere der Hadamarer Jesuiten und ein jüdischer Arzt standen.

Intoleranz ist hier fremd

Im 18. Jh. erstarkte zwar die jüdische Gemeinde, aber es gibt aus dieser Zeit keine wichtigeren Nachrichten.
Napoléons eine Periode der Restauration begann, und mit ihr die Entstehung des Herzogtums Nassau. Mitten in der 'nassauischen' Zeit ereignete sich dann 1848 eine deutsche Revolution mit einer gemäßigten Freiheitsbewegung, der wiederum unter preußischem König- und Kaisertum eine letzte im vielem rückwärts orientierte Bewegung folgte, die dann im Weltkrieg 1914/18 unterging.
Aus diesem Zeitabschnitt, der den Juden eine weitgehende Emanzipation brachte und ihre fast völlige gesellschaftliche Integration ermöglichte, kann ich aus der Fülle überlieferten Materials nur eine kleine Auswahl herausragender und besonders typischer Dokumente vorstellen.
Um die Gleichstellung von Christen und Juden
Der Landrat des Bezirks Dillenburg, zu dem damals Hadamar gehörte, am 16. I. 1808 an die Regierung in Düsseldorf, Über die Verhältnisse der Juden in seinem Bezirk
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Wi 370/1478 fol 86 ff
Die Frage der Gleichstellung der künftigen Verhältnisse der Juden mit denen der übrigen Untertanen ist ebenso schwierig als wichtig. Sie betrifft das Wohl und die Glückseligkeit einer Menschenklasse, die eben den Schutz und die Mitwirkung des Staates zum Wohl hat wie die übrigen Staatsbürger, die aber in ihrer bisherigen Verfassung dem Staate im allgemeinen nichts weniger als nützlich gewesen ist.
Die Verbesserung des Zustandes und der Verhältnisse der Juden ist also auch eine Verbesserung des Zustandes der übrigen Untertanen des Staates, und das Wohl der Einen muss mit dem Wohl der Andern in gleichem Verhältnisse stehen. ...
Im Juli 1808 erließ die Regierung zu Düsseldorf eine Verordnung, die einen ersten Schritt zur Gleichstellung von Juden und Christen bedeutete.
a) Die Juden erliegen der gleichen Militärpflicht und auch den gleichen Abgaben und Steuern wie alle anderen Untertanen.
b) Spezielle Judenabgaben, Schutzgelder usw. werden, auch soweit sie rückständig sind, aufgehoben und dürfen nicht mehr eingefordert werden.
c) Der Zuzug zum Herzogtum bleibt für Juden von einer Genehmigung der Behörden abhängig, die zu gewähren ist, wenn tadelfreie Aufführung bewiesen und die gewerbliche Nützlichkeit einsichtig gemacht wird.
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ebd. fol 366-369
Diese 'bergischen' Regelungen galten nur wenige Jahre; als dann Ha-damar im Herzogtum Nassau Amtssitz wurde, berichtete Amtsrat Creutzer mit einigem Kopfschütteln 1820 über die eingetretenen Veränderungen:
Die Aufnahme der Juden erfolgte nun nach französischen Grundsätzen, wodurch manches Subjekt, welches früher nie den Schutz erhalten haben würde, sich niederlassen konnte.
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Wi 211/11537,10.X.1820
Jakob Wagner wieder, der aus Hadamar stammte, Pfarrer wurde, eine Geschichte des Fürstenhauses Nassau-Hadamar schrieb und darin schilderte, was er als Junge im Hadamar dieser Periode erlebte:
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Wagner II, S. 555 ff
In Bezug auf das kirchlich-religiöse Leben und die Parität aller Unterthanen als Staatsbürger vor dem Gesetze war es freilich anders und besser geworden ... Von Zurücksetzung einer Confession vor der anderen bei Besetzung der Staatsämter kommt in dieser Zeit kein Beispiel vor; wohl aber war zu Schuppach der Jude Wolf damals Bürgermeister dieser Gemeinde. ...
In der letzten October- und ersten Novemberwoche 1813 ereigneten sich Scenen in hiesiger Stadt, die ich als Knabe ... mit angesehen, und nie in meinem Leben vergessen werde. Die Schlacht bei Leipzig war geschlagen. ... Jetzt kamen Tag und Nacht Wagen voll Blessirter hier durch. Eine solche Wagenburg mit Verwundeten mußte einige Augenblicke stille halten; der ganze Zug erstreckte sich von dem halben Wege nach Oberzeuzheim hin durch die ganze Stadt bis an die (alte) Brücke und hielt vor dem Hause meiner Eltern. ...
Die schönsten Männer aller Waffengattungen lagen durcheinander auf den Wagen. ein Cavallerist, dem Ohr und Backe abgehauen, hatte den Kopf mit einem Futtersacke verbunden; einem anderen fehlte der Arm, einem Dritten war der Fuß abgeschossen. Alle waren mehr oder weniger verstümmelt, und schrien vor Schmerz über ihre brennenden Wunden ...
Alle Bewohner der Stadt wetteiferten mit ihrer Hilfeleistung; Fleisch und Brot, Milch, Wein Bier und Branntwein wurden in Fülle an die Wagen gebracht. Eines edlen Zuges des Juden Aaron Salomony, Sohn des alten Salomony, kann ich nicht umhin hier Erwähnung zu thun. Dieser, in der oberen Stadt wohnend, war zufällig in unserem Hause und half meinen Eltern, Getränke mit Brot und Fleisch an die Wagen tragen. Da gewahrte er, daß unser Laden noch voll Weißbrot stand, woran in der Eile keiner gedacht hatte, und dieses sehend, ergreift er mit beiden Armen sämmtlichen Vorrath und trägt ihn nacheinander an die Wagen, um ihn an die Unglücklichen zu vertheilen; indem er meinem Vater zuruft, daß er dieses für seine Rechnung thue, da er, so weit von seinem Hause entfernt, den Armen sonst Nichts geben könne.
1817 : Das nassauische Schuledikt verpflichtete alle Kinder aller Religionen und Stände vom 6. bis zum 14. Lebensjahr zum Besuch der simultanen Elementarschule; dieses Gebot wurde 1819 für die jüdischen Kinder speziell erneuert.
Erzherzog Wilhelm die Zunftverfassungen im Herzogtum auf.
Kalt.
Löb Levi in Hadamar eine Tuchmacherei.
Pfarrer Hilf ausgelöst; als für Hadamar zuständiger nassauischer Standesbeamter beantragte er bei der Landesre-gierung, die Juden in seinem Amtsbereich aufzufordern, erbliche Familiennamen anzunehmen. Die Judenschaft benutzte bis dahin eine komplizierte Folge von mehreren Rufnamen meist biblischen Ursprungs und in hebräischer Form, die es den Behörden kaum erlaubte, die Sippen und Familien und ihre jeweiligen Mitglieder zu identifizieren.
Dem ersten Antrag folgten mehrere Anläufe zu einer Namensreform, die dann 1841 wirklich erfolgte. Fortan benutzten die Hadamarer Juden ihre neu angenommenen Familiennamen in allen öffentlichen Angelegenheiten, behielten aber noch lange innerhalb ihrer Synagogengemeinde ihre traditionellen Namen bei. Aus dieser Zeit kann man auf Grabsteinen beide Namen nebeneinander lesen. Einige Zeit nach dieser Umstellung ersetzten dann die Hadamarer Juden zunehmend auch ihre mosaischen Vornamen durch die in der übrigen Bevölkerung üblichen Rufnamen.
Freilich gingen diese Entwicklungen nicht in allem glatt vonstatten; konservative Kräfte setzten sich gegen sie zur Wehr, die aber von beiden Seiten mit Klugheit meistens überwunden werden konnte. Dadurch blieben Emanzipation und Integration der Hadamarer Judenschaft in die christliche Gesellschaft für die gegenseitige Einschätzung nicht ohne Folgen. Es haben sich einige hochinteressante Zeugnisse für diese Prozesse erhalten. Zwei Beispiele:
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P.P. Schweitzer, Juden im nassauischen Hadamar, CD 2007 erschienen und erhältlich bei der Stadtverwaltung Hadamar, Teil A und B,.

Gegenseitige Einschätzungen und Zeugnisse

Kalt ironisch:
... Mag nun das Motiv zu der so unerwarteten (!!) Confrontation liegen, in was es wolle, so scheint doch die Thatsache festzustehen, daß eine nicht zu billigende Intoleranz es den Behörden nicht zulässig erscheinen läßt, uns eine von der Landesregierung anempfohlene Gefälligkeit zutheil werden zu lassen.
Durch die Ertheilung des confessionellen Religionsunterrichtes in dem städtischen Schullocale werden der Stadtcasse keine besonderen Kosten zugefügt, der allgemeine Unterricht wird dadurch nicht im mindesten gestört und das Seelenheil der christlichen Schüler wird wohl nicht gefährdet, wenn Judenkinder auf die Stellen zu sitzen kommen, welche Christenschüler soeben verlassen haben. ...
Kalt reichte die Eingabe der Synagogengemeinde an die Landesregierung mit folgender, im letzten Satz erstaunlichen Stellungnahme:
... Da hier der Stadtvorstand und besonders der Herr Schulinspector sehr dagegen sind, so glaube ich, den Vorstand der Judengemeinde an die höhere Behörde verweisen zu müssen. Ich zweifele nicht, daß man sich so einrichten könne, daß durch die wöchentlichen Paar Stunden Unterricht in der israelitischen Religion in dem städtischen Schullocal die christliche Schule nicht gestört würde.
Der Herr Schulinspector, der ja auch selbst die Aufsicht über den israelischen Religionsunterricht führen soll, würde deshalb nur die geeignete Anordnung zu treffen haben. Seine vorgebrachten Gründe gegen diese Anordnung können auch ganz und gar nicht überzeugen; es handelt sich nämlich hier nicht darum, ein Recht der Kirche oder der Gemeinde zu verletzen, sondern um Beförderung eines wichtigen gemeinnützigen Zweckes, und davor müssen alle kleinlichen Rücksichten verschwinden.
Hadamar, den 28 September 1842 gez. Kalt
Pfarrer Bausch aus Oberweyer bei, der im Hause des Kassenverwalters der jüdischen Gemeinde wohnte, und nun sein Erspartes, immerhin 1500 fl., zu diesem Zweck gegen 5% Zinsen als Darlehen gab.
Über die feierliche Einweihung berichtete die Presse damals:
Am 25.6.d.J. fand hier die feierliche Einweihung der neuen israelitischen Synagoge statt. Aus dem engen Raume des bisherigen Bethauses bewegte sich der Zug mit Musik nach dem neuen Gotteshause; voran zog mit ihrem Lehrer die Schar der festlich geschmückten israelitischen Jugend, der sich auch mehrere Kinder der christlichen Elementarschule angeschlossen hatten; dann folgte, unter einem blauen Traghimmel einherschreitend, der zur Einweihung berufene Rabbiner Herr Dr. Salomon Wormser von Schwalbach, umgeben von Mitgliedern der Gemeinde, welche die Pergamentrollen des Gesetzes trugen, und begleitet von einem zahlreichen Gefolge seiner Glau‑bensgenossen aus der Stadt und vom Lande.
In dem festlich mit Blumengewinden verzierten, anständig und würdevoll eingerichteten Tempel hatten sich die Behörden des herzoglichen Amtes, der Stadtvorstand, die christliche Geistlichkeit und besonders mehrere Landpfarrer, die Lehrer des Pädagogs und viele Honoratioren und Bürger der Stadt eingefunden. Nach den üblichen Gebeten und Choralgesängen hielt der Rabbine Dr. Wormser vor dem Altare über I. Chronik 29,15.16
Denn Wir Sind Gäste Und Fremdlinge Vor DIR, Wie Unsere Väter Alle. Unser Leben Auf Erden Ist Wie Ein Schatten, Und Es Ist Kein Aufhalten Hier. HERR Unser GOTT, All Diese Fülle, Die Wir Gesammelt Haben, DIR Ein Haus Zu Bauen, DEINEM Heiligen Namen, Ist Von DEINER Hand Gekommen: Alles Ist DEIN.
die Einweihungsrede, worin er nach einer geistigen Auffassung der mosaischen Lehre über die Bestim- mung des Gotteshauses und insbesondere über die echte Gottesverehrung im Geiste und in der Wahrheit sich verbreitete. Eine Rede, die jeden Gebildeten ansprechen mußte, weil die Wahrheiten, die sie ans Herz legte, aus dem Herzen stammen und ewig Segen stiften, indem sie das Band des Friedens um die Herzen aller Gottesverehrer schlingen. Die gediegene Rede schloß mit einem Gebete, worin Segenswünsche für unsern Herzog und das herzogliche Haus, für die Stadt Hadamar, die israelitische Gemeinde, die Vorsteher derselben und die Gründer des Gotteshauses ausgesprochen wurden.

Geistliches Leben

Zur Mindesteinrichtung einer Synagoge gehören die heilige Lade, das Vorbeterpult, der Tisch für die Thoravorlesung, das ewige Licht, Thorarollen, Leuchter, Wasserbehälter, Becken zum Waschen der Hände vor dem Gebet, sowie Sitzgelegenheiten. Außer zu gottesdienstlichem Gebrauch dient eine Synagoge auch zu Versammlungszwecken, dienen Nebenräume zu Unterricht und Besprechungen. So auch hier.
Die kostbaren, handgeschriebenen Thorarollen, die ja die biblischen Weisungen der mosaischen Tradition enthielten, wie sie auch Christen und Muslimen heilig sind, wurden in einem Schrein untergebracht, der in die Ostwand eingebaut und einem christlichen Altar ähnlich verziert war. Dieser Altar war durch den Thoravorhang verdeckt; auch die Thorarollen selbst waren mit Mäntelchen verhüllt und mit einer Krone und einem Schmuckschild verziert. Umwickelt und zusammengehalten wurde die Thorarolle mit einem Thorawimpel. Die Hadamarer Synagogengemeinde besaß sehr alte Thorarollen und vor allem eine große Sammlung an solchen Thorawimpeln.
Mit ihnen hatte es eine besondere Bewandtnis: Solche Wimpel wurden dem neugeborenen Jungen bei der Beschneidung geschenkt. Er war bunt bestickt oder bemalt, mit einem Spruch aus der Thora und symbolischen Bildern. Dieser Spruch sollte den Neugeborenen auf seinem Lebensweg begleiten. An seinem dritten Geburtstag trug der Junge seinen Wimpel in die Synagoge und schenkte ihn der Thora. Wenn der Junge im 13. Lebensjahr sein Bar Mizwa feierte, las er als erste Mizwa im Gottesdienst den betreffenden Bibelabschnitt und die dazu gehörige Haftara der Gemeinde vor. Diese Wimpel, die in der Synagoge gesammelt und auch verwendet wurden, gehörten zu ihrem wertvollsten Traditionsgut.
Die Thorarollen wurden aus dem Schrein nur zur Lesung herausgehoben. Da die Buchstaben der Rollen nicht mit der bloßen Hand berührt werden durften, bediente sich der jeweils Vorlesende eines Zeigers, der silbernen Hand. Rabbiner oder Vorbeter leiteten den Gottesdienst. Zunächst war die Gottesdienstsprache Hebräisch, die Gemeindemitglieder beteiligten sich durch lautes Mitbeten und auch durch gelegentliches Korrigieren des Vorbeters am Gottesdienst. Die Frauen nahmen von der Empore aus teil.
Eine laute Beteiligung aller am Gottesdienst sowie lebhafte Äußerungen bei Versammlungen in der Synagoge waren für Christen ungewohnt. Daher stammt der bekannte Ausdruck, in einer ungeordneten Versammlung gehe es zu wie in einer Judenschule.
Dr. Geiger geprüfte Religionslehrer beeinflussten die Hadamarer Gemeinde in dieser Richtung. Manche Gebete und Gesänge sowie die Predigt trug man inzwischen in deutscher Sprache vor. Die Lesung der heiligen Texte und altehrwürdigen Gebete und Psalmen beließ man aber weiterhin in der hebräischen Sprache. Außerdem wurden in dieser Reform die laute Beteiligung der Männer am Gottesdienst abgeschafft und den Frauen zwar gesonderte, jedoch im gleichen Raum befindliche Plätze zugewiesen.
Gegen diese Reformen wandten sich die sogenannten orthodoxen Juden, die nur ein strenges Festhalten an den alten Bräuchen und für eine wörtliche Befolgung biblischer und rabbinischer Vorschriften anerkennen wollten. Auch innerhalb der Hadamarer Judenschaft gab es solche Diskussionen.
Inhalte
Aus dem Unterricht in der Hadamarer Synagoge kann hier nur weniges beleuchtet werden, obwohl Protokolle von Unterrichtsbesuchen, von Schüler- und sogar von Lehrerprüfungen erhalten sind, und sich über den Unterricht in der Synagoge eine größere Darstellung lohnte . ..,..
Hier sollen zunächst zwei Texte wiedergegeben werden, von denen guter jüdischer Brauch verlangt, dass jeder, der ernsthaft Jude sein will, sie jeden Tag einmal mit Nachdenklichkeit lese. Der erste enthält die 13 jüdischen Glaubensartikel, eine gedrängte Zusammenfassung der jüdischen Glaubenslehren, der zweite bringt die biblischen 10 Gebote, den Juden in sagenhafter Vorzeit am Sinai gegeben und seit Jahrtausenden in den Ohren der Menschheit, ohne ein Tüpfelchen an Aktualität zu verlieren.
Dreizehn Hauptsätze israelitischen Glaubens
1. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gepriesen sei sein Name, jegliche Kreatur schafft und lenkt und dass er allein der Urheber alles dessen ist, was geschah, geschieht und geschehen wird.
2. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gepriesen sei sein Name, einzig ist und daß es keine Einheit seinesgleichen gibt, in keinerlei Hinsicht, und dass er allein unser Gott war, ist und sein wird.
3. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gepriesen sei sein Name, unkörperlich ist undfrei von jeder Möglichkeit, materiell vorgestellt zu werden, und daß ihm auch keine Gestalt beigelegt werden kann.
4. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gepriesen sei sein Name, Anfang und Ende ist.
5. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gepriesen sei sein Name, allein es ist, dem Anbetung gebührt, und dass es ungebührlich ist, außer ihm ein Wesen anzubeten.
6. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass die Worte der Propheten alle wahrhaftig sind.
7. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass die Kündung unseres Lehrers Mosche, Friede ihm, die Wahrheit und dass er von allen Propheten, früheren wie späteren, der Vater war.
8. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass dIe ganze Thora, wie wir sie jetzt besitzen, die gleiche ist, die unserem Lehrer Mosche übergeben wurde.
9. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass diese Thora unverwechselbar ist und dass es nie eine andere Lehre vom Schöpfer her, gepriesen sei sein Name, geben wird.
10. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gepriesen sei sein Name, alles Tun und jegliches Trachten der Menschen kennt, wie es heißt: Er, der ihre Herzen ganz und gar gebildet, Er weiß auch all ihr Tun.
11. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Schöpfer, gepriesen sei sein Name, wohl vergilt allen denen, die seine Weisung erfüllen, und übel tut denen, die seine Weisung brechen.
12. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass der Messias kommt, und ungeachtet seines langen Ausblei- bens erwarte ich täglich seine Ankunft.
13. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass einst zu seiner Zeit, wenn es dem Schöpfer, gepriesen sei sein Name und erhoben sein Gedenken immer und ewig, wohl gefällt, die Toten auferstehen werden.
Die Zehn Gebote
1. ICH bin dein Gott, der dich führte aus dem Lande Ägypten, aus dem Dienstfrönerhaus.
2. Nicht sei dir andere Gottheit neben meinem Angesicht. Nicht mache dir Schnitzwerk noch irgend Gestalt des, was im Himmel ringsoben, was auf Erden ringsunten, was im Wasser ringsunter der Erde ist, wirf dich ihnen nicht hin, diene ihnen nicht, denn ICH dein Gott bin ein eifernder Gott, bedenkend Fehl von Vätern an Söhnen, am dritten und vierten Glied, denen, die mich hassen, aber Huld antuend ins tausendste denen, die mich lieben und meine Gebote wahren.
3. Trage nicht SEINEN deines Gottes Namen auf den Wahn, denn nicht freispricht ER ihn, der seinen Namen trägt auf den Wahn.
4. Gedenk des Tags der Feier, ihn zu heiligen. Ein Tagsechst dien und mach alle deine Arbeit, aber der siebente Tag ist Feier IHM, deinem Gott: Nicht mach irgend Arbeit, du, dein Sohn, deine Tochter, dein Dienstknecht, deine Magd, dein Vieh und dein Gastsasse in deinen Toren. Denn ein Tagsechst machte ER den Himmel und die Erde. das Meer und alles, was in ihnen ist, und ruhte am siebenten Tag, darum segnete ER den Tag der Feier und hat ihn geheiligt.
5. Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit fortlangen deine Tage auf dem Erdacker, den dein Gott dir gibt.
6. Morde nicht.
7. Buhle nicht.
8. Stiehl nicht.
9. Aussage nicht gegen deinen Genossen als Lugs Zeuge.
10. Begehre nicht das Haus deines Genossen. Begehre nicht das Weib deines Genossen, seinen Knecht, seine Magd, seinen Ochsen, seinen Esel, noch irgend was deines Genossen ist.
Martin Buber macht deutlich, dass Hebräisch, die Kultsprache der jüdischen Religion, keine europäische Sprache ist. Dazu kommen noch die Schwierigkeiten, Inhalte aus einer uns fernen Kultur- und Zeitepoche in unsere Umstände zu übertragen. ...
Das Vaterländische Gebet
Sch'ma Jisrael auf den Lippen. Missionierung ist dem Judentum fremd, und doch hat es sich weit über die Welt ausgebreitet, und Christentum und Islam sind nicht ohne es als Wurzelgrund zu denken.
Wenn wir uns nun ernsthaft überlegen, was es heißt, dass in allen jüdischen Gottesdiensten, gleich in welchem Umfeld die jeweilige Gemeinde leben mag, stets ein Gebet an zentraler Stelle gesprochen wird, das dem Hadamarer Vaterländischen Gebet entspricht, spüren wir doch, wie wenig negative Vorurteil gegen die jüdische Religion angebracht sind.
Sabbatliches Kirchengebet der jüdischen Gemeinde Hadamar
Gott, der Du gesegnet Abraham, Jysak und Jacob, Deinen Segen erflehen wir für alle, die Dir dienen: die heute zur Thora Gerufenen laß die empfangene Weihe durch ihr Leben bestätigen; allen Thoralehrern, Verkündern Deines göttlichen Wortes, verleihe Einsicht und Kraft, Mut und Ausdauer, auf daß durch sie dem Unglauben gesteuert, und Dein Reich, das Reich des Lichtes und des Friedens, immer mehr ausgebreitet werde.
Dein Segen komme über diese und jede fromme Gemeinde: Gieb ihnen allen Leben und Gesundheit, Gottesfurcht und Menschenliebe, und an Bedarf soviel einem jeden gut ist; laß gelingen alles, was sie unternehmen zum Guten und bei allem, was Du ihnen mißlingen lassest, bringe ihnen ein zufriedenes Herz und einen Dir ergebenen Sinn.
Segne alle, die den Hungrigen sättigen und den Nackten kleiden, alle, die das Wohl ihrer Brüder fördern, alle, die an dem Bestande unserer Gemeinde arbeiten alle, die herkömmlich bußfertig am Montag - Donnerstag - Montag fasten wollen; alle, die zum frommen unseres Vaterlandes wirken.
Hierzu bitten wir Dich insbesondere, 0 Allvater, für unseren geliebten Landesvater und sein Hohes fürstliches Haus, daß es vor Dir bestehen möge immerdar.
In seinen Tagen hilf auch dem Hause Israel! Laß uns Gnade finden in seinem und seiner erleuchteten Regierung Augen; und gieb, dass das gemeinsame Liebesband, welches alle Untertanen in Treue einet, nimmermehr gelockert und also Zion in Wahrheit erlöset werde. Amen .
Novembertage - Novembernacht über Hadamar